Biogasanlage Lohchaussee 4
Steller Biogasanlage an der Lohchaussee

Der Ausschuss für Ortsentwicklung, OEWA, hat am 23. April beschlossen, das Verfahren für einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan „Biogasanlage Lohchaussee, Erweiterung“ auszusetzen um verlässliche Grundlagen für eine Ermessensentscheidung der Bauleitplanung zu erlangen. Dies soll über ein Gutachten zum Grundwasser erfolgen.
Für die Bewertung dieses Sachverhalts ist folgendes wichtig:
• Planungsentscheidungen treffen Festlegungen für die
zukünftige Entwicklung der Gemeinde
Sie sind wichtiger Inhalt der verfassungsrechtlichen
kommunalen Selbstverwaltung.
• Vorhabenbezogene Bebauungspläne legen den Fokus auf
einzelne Bauvorhaben.
Vorhabenbezogene Bebauungspläne im Außenbereich sind die Ausnahme, nicht die
Regel. Dass überhaupt und wie intensiv über diesen vorhabenbezogenen Bebauungsplan
beraten wird ist also nicht selbstverständlich und grundsätzlich ein Entgegenkommen des
Rates.

Die SPD hat dies im OEWA und Verwaltungsausschuss mitgetragen – das Verfahren ist aber bei allem Verständnis für die wirtschaftlichen Interessen der Betreiber entscheidungsoffen. Das muss so sein, denn Planung hat den Anspruch der Trennung unverträglicher Nutzungen und der Vorbeugung, Vorrang hat die Konfliktvermeidung. Einen Anspruch auf Genehmigung gibt es nicht, weil es hier nicht um eine privilegierte Nutzung geht. Darauf hat die SPD auch an verschiedenen Stellen des Verfahrens hingewiesen. So z.B. bereits bei dem Aufstellungsbeschluss am 19. Juni 2013. Dies gilt weiterhin.

Abzuwägen sind aus unserer Sicht ein grundsätzliches PRO für Erneuerbare Energien mit dem genauso wichtigen Wasserschutz und den ebenso wichtigen Interessen von Anwohnern, die durch Verkehr, Lärm und Gestank sowie die Veränderung des Landschaftsbildes negativ betroffen sind. Diese Abwägung ist vor dem Hintergrund
von §§ 1f. und § 12 BauGB vor einem Ratsbeschluss zu klären. Es muss ausgeschlossen werden, dass die Entwicklung der Gemeinde beeinträchtigt wird und dass eine bestehende Gemengelage zulasten der Bewohner am Wasserturm auf unangemessene Weise verfestigt wird.

J _rgen Neubauer
Jürgen Neubauer

Der Prüfmaßstab für wichtige noch fehlende Abwägungen ist aus unserer Sicht zweistufig:

1. Die Wasserfrage ist zu bewerten. Dabei stellen wir auch Überlegungen zur Verbindung
zwischen Standorten von Biogasanlagen und Wasserschutz an. Diese Beziehung ist im
letzten Jahr auch von der Niedersächsischen Landesregierung hergestellt und begründet
worden. Niedersachsen verbietet generell den Neubau / die Erweiterung von
Biogasanlagen in Wasserschutzgebieten seit 2013. Das ist eine weit reichende
Entscheidung mit generellen politischen Auswirkungen auf die Bauleitplanung.
Anders als Gemeindeverwaltung und Kreis sehen die Experten im Niedersächsischen
Umweltministerium einen klaren Zusammenhang zwischen Anlagenstandort und Umfeld.
Sie stellen auf Nutzungsänderungen im Umfeld von Biogasanlagen ab, die zu höheren
Nitratbelastungen führen können und sie fokussieren auf Transport- und Störfallrisiken.
Auch betonen sie, dass beim Anbau von Energiepflanzen anders als beim Verkauf von
Marktfrüchten kein Nährstoffexport von der Fläche stattfindet, der Stickstoff also vor Ort
bleibt.
Für Nutzungsänderungen und für entstehendes Transport- und Unfallrisiko sowie für den
Stoffkreislauf ist es faktisch kaum ein Unterschied, ob eine Anlage direkt im
Wasserschutzgebiet oder am Rande des Gebietes wie hier in Stelle liegt. Betroffen ist die
Wasserversorgung von 65.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Deshalb ist auch der
inschätzung zu widersprechen, dass der Standort der Anlage und die Belastung des
Wasserschutzgebiets in der politischen Bewertung voneinander getrennt werden
müssten.
Es war in diesem Verfahren von verschiedener Stelle immer wieder zu hören, dass das
was wir hier prüfen wollen relevant ist, dass wir hier aber nicht in Oldenburg sind. Dass
also bei uns überhaupt keine relevanten Nitratbelastungen vorliegen. Das aktuelle
Wochenblatt liest sich anders. Auch Tostedt ist nicht Oldenburg. Und auch aus dem
oberen Grundwasserleiter in unserem Schutzgebiet sind bedenkliche Nitratwerte
bekannt.
Dass wir trotz der Nähe zum Wasserschutzgebiet überhaupt in eine vertiefte Prüfung
eingestiegen sind, ist Folge des hohen Stellenwerts Erneuerbarer Energien. Es ist aber
zugleich Entgegenkommen gegenüber den Betreibern und keine Schikane. Nachhaltiger
Wasserschutz ist dennoch für uns ein KO-Kriterium. Wirtschaftliche Interessen einzelner
sind für uns gegenüber dem Trinkwasserschutz strikt unterzuordnen.

2. Zusätzlich sind die Einwendungen der Anlieger ernsthaft zu überprüfen und mit den
Interessen der Antragsteller abzuwägen. Es liegen immerhin 40 Einwendungen vor und
wir nehmen sie ernst. Es ist aber schlüssig, die zentrale Wasserfrage zuerst zu klären.
Die Bewohnerinnen und Bewohner am Wasserturm sind z.B. besonders schutzwürdig,
denn sie mussten bei ihrer Bauentscheidung nicht mit einer Biogasanlage von der jetzt
gewollten Größe rechnen. Die Berücksichtigung von konkurrierenden Interessen ist vor
der Ratsentscheidung wichtig, weil sich danach andere Bewertungsmaßstäbe ergeben.
Dann würde die Abwehr der Belastungen von Anwohnern faktisch durch sehr hohe
Grenzwerte erschwert. Vor dem abschließenden Ratsbeschluss ist die Gewichtung der
Interessen Gegenstand der politischen Abwägung, z.B. im OWEA.
Der Normalfall ist aus unserer Sicht der, dass Planungsentscheidungen des Rats
Gemengelagen aus konkurrierenden Nutzungen und damit verbundene Konflikte nicht
verfestigen sollen. Die Antragsteller fordern eine angemessene Berücksichtigung ihrer
Interessen. Ihre wirtschaftlichen Interessen sind aber nicht gleichzusetzen mit Interessen
der Allgemeinheit, wie sie auch durch ein vorhandenes geschlossenes Wohngebiet
dargestellt werden. Sie sind auch nicht zwingend vereinbar mit den Vorstellungen des
Rats zur langfristigen Entwicklung der Gemeinde.

Wenn also eine sorgfältige Prüfung erfolgt, dann insbesondere im Interesse der Betreiber. Es geht um Voraussetzungen für den Ausnahmefall, um Voraussetzungen für die Abweichung vom Normalfall. Nur eine nachvollziehbare, als gerecht empfundene Abwägung des Rates schafft die Voraussetzung für ein dauerhaftes, rechtssicheres Bestehen des angestrebten B-Planes.

Der jetzt aufgebaute Zeitdruck von CDU-Ratsfraktion und Gemeinde verhindert eine solche Prüfung. Wir schulden den Bürgerinnen und Bürgern aber diese Sorgfalt. Deshalb könnte der jetzt aufgebaute Zeitdruck nur zulasten der Betreiber gehen, nicht aber zulasten von Wasserschutz und Anliegerschutz.


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Leserbrief

"Ich glaube Herr Neubauer hat schon recht mit seiner Einstellung, das das saubere Grundwasser, ein Kapital ist was man nicht unterschätzen sollte. Wie ich in der Bauphase der Biogasanlage beobachten konnte, wurden aus meiner Sicht ( z.B. Betonteile, KG-Rohre nicht hochwertige oder zugelassene Baustoffe verwendet wurden ). Wurde die Anlage durch die Gemeinde oder zuständige Behörde eigentlich abgenommen?"
T. Schradieck